17.11.2023

Robuste Konjunktur im Handwerk

HWK: Unsicherheiten drücken auf die Stimmung der Betriebe  

Die Konjunktur des heimischen Handwerks in diesem Herbst ist robust. Die Unsicherheiten der Betriebe sind aber groß; der pessimistische Blick auf das nächste halbe Jahr drückt auf die Stimmung. Diese Ergebnisse der Konjunkturumfrage der Handwerkskammer (HWK) Münster fasste deren Präsident Hans Hund zusammen. „Es ist wichtig, jetzt zukunftsträchtige Wachstumsimpulse durch Investitionen zu setzen“, betonte er in einem Pressegespräch am Freitag (17. November).

An der Herbstumfrage haben 800 Handwerksbetriebe aus dem Kammerbezirk teilgenommen. 46 Prozent verbuchen eine gute Geschäftslage. 39 Prozent beurteilen die Geschäfte als befriedigend. 15 Prozent finden sie schlecht. Das zeigt eine etwas bessere Bewertung als vor einem Jahr. Die Kapazitäten sind zu 80,8 Prozent ausgelastet – zu 0,7 Prozentpunkten mehr als im Herbst 2022.

Die Betriebe prognostizieren in allen Branchen eine Verschlechterung: 39 Prozent der Befragten erwarten schlechtere Geschäfte und nur 9 Prozent bessere. 52 Prozent gehen von einer gleich bleibenden Lage aus. Der Geschäftsklimaindikator, der die aktuelle Situation und Erwartungen zusammenfasst, hat sich gegenüber dem Vorjahr von 87 auf 95,7 Punkte verbessert. Er gibt eine insgesamt negative Entwicklung wider. Das Geschäftsklima im Handwerk des Münsterlandes ist mit 98 Punkten positiver als das in der Emscher-Lippe-Region mit 88,3 Punkten.

Die Betriebe rechnen mit weiter steigenden Verkaufspreisen. 68 Prozent tragen erhöhte Energiekosten, aber nur etwa die Hälfte hat ihre Absatzpreise angehoben. Deshalb sanken die Gewinnmargen erneut.

Die Aufträge reichen zehn Wochen weit. Das ist eine halbe Woche länger als im Vorjahr. Per Saldo reduzierte sich der Auftragsbestand weiter: Er nahm bei 38 Prozent ab und bei 23 Prozent zu. Die Betriebe gehen davon aus, dass in den nächsten Monaten massiv weniger Aufträge eingehen. Über den Sommer sind die Umsätze nur moderat gesunken. 39 Prozent erwarten einen Einbruch im Winter. Eine Besserung prognostizieren nur 14 Prozent.

Es gab relativ geringe Beschäftigungsverluste. 18 Prozent konnten ihre Belegschaft aufstocken. 23 Prozent beschäftigen weniger Personal als vor einem halben Jahr. Die Ursache liege vor allem an fehlenden Fachkräften, erklärte Hund. Die Betriebe wüssten, dass es zunehmend schwer werde, freiwerdende und neue Stellen und Ausbildungsplätze zu besetzen. Nach Möglichkeit hielten sie deshalb an Mitarbeitern fest.

Das Investitionsklima hat sich im letzten halben Jahr moderat eingetrübt. Die Betriebe gehen davon aus, dass es künftig ungemütlicher wird. Von den Befragten planen 41 Prozent weniger Investitionen im kommenden Halbjahr, und nur 14 Prozent mehr. Die Investitionszurückhaltung betrifft die Branchen unterschiedlich stark.

Im Kraftfahrzeuggewerbe herrscht nach einem expansiven Wachstum mit stabilem Auftragsbestand und Umsatzsteigerungen die beste Stimmung unter Berücksichtigung von Lage und Prognose (Geschäftsklimaindikator 107,6 Punkte). Auch die Gesundheitsgewerbe verzeichnen wegen des Umsatzplus ein schwaches Wachstum mit einem kleinen Personalaufbau in einem herausfordernden Umfeld (106,1 Punkte). Die Geschäfte der Handwerke für den gewerblichen Bedarf – dazu gehören vor allem Zulieferer – schwächelten; die Hoffnungen auf ein Exportplus schwanden (97,5 Punkte). Aktuell laufen die Geschäfte im Ausbaugewerbe am besten; sie lassen sich wegen des erwarteten Auftragsrückgangs in den kommenden Monaten aber nicht halten (97 Punkte). Bei den personenbezogenen Dienstleistern hat sich trotz einer geringen Geschäftsverbesserung das Auftrags-, und Umsatz- und Beschäftigungsminus fortgesetzt und dämpft die Erwartungen (95,3 Punkte). Im Bauhauptgewerbe ist das Geschäftsklima am rauesten (79,3 Punkte). Die aktuelle Lage ist wegen Altaufträgen noch positiv. Die Betriebe erwarten aber einen massiven Geschäftseinbruch wegen der zurückhaltenden Nachfrage.

„Fast jeder zweite Handwerksbetrieb im Kammerbezirk gehört zu den Bauberufen. Eine Krise am Bau gilt es abzuwenden“, warnte Hund. Komme es hier zu einem größeren Beschäftigungsabbau, fehlten viele Fachkräfte unwiederbringlich, wenn die Nachfrage nach dem Neubau und der Sanierung von Gebäuden später wieder steige. „Dann droht die Erfüllung der ambitionierten Investitionsziele bei Wohnungen, Energiewende und Infrastruktur in den nächsten Jahrzehnten an Personalnot zu scheitern.“

Hund forderte ein beherztes Drehen an politischen Stellschrauben: bei der Mittelstandsorientierung, der beruflichen Bildung und Fachkräftesicherung. Er nannte bessere Konditionen für Investitionen, Bürokratieabbau, aber auch die bestmögliche Ausstattung von Bildungszentren als Beitrag zur Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung. Das Handwerk werde Einwanderung zur Fachkräftesicherung brauchen, aber auch im Inland könne dafür noch viel getan werden. Zu viele junge Menschen verließen die Schule ohne Abschluss. Bei Frauen gebe es ungenutzte Potenziale.

Die Ausbildungsvermittlung werde ab dem kommenden Jahr unbürokratischer und effizienter, begrüßte HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz die Zusammenlegung von Förderprogrammen des Bundes.  Trotz des neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetzes und des hohen Bedarfs behinderten bürokratische Hürden oft die Vermittlung von Menschen mit Migrations- beziehungsweise Fluchthintergrund in eine Ausbildung. Dabei wollten zahlreiche Betriebe sofort einen Lehrvertrag unterschreiben, um personelle Verstärkung zu bekommen, bekräftigte Banasiewicz.

Aktuell gibt es im Kammerbezirk 30.435 Handwerksbetriebe. Sie geben rund 214.000 Menschen einen Arbeitsplatz und erwirtschaften einen Jahresumsatz von circa 33 Milliarden Euro. Das Handwerk zählt 14.115 Auszubildende, davon 4.835 im ersten Lehrjahr.